Plazenta als Heilmittel?

Wenn Frauen nach einer Geburt vom Mutterkuchen essen, soll das die Milchproduktion ankurbeln, gegen Wochenbett-Depressionen helfen und dafür sorgen, dass Mütter schneller wieder fit werden. Das jedenfalls vermitteln Lifestyle-Magazine und einschlägige Internetforen. Plazenta roh, getrocknet, als Smoothie oder in Globuli – nicht nur in esoterischen Kreisen findet das Anhängerinnen. Doch was ist dran an diesen Mythen? Das Problem: „Alles was im Umlauf ist, ist wissenschaftlich nicht belegt“, sagt Privatdozentin Dr. Tanja Groten, geschäftsführende Oberärztin an der Klinik für Geburtsmedizin des Universitätsklinikums Jena. „Es gibt dazu noch kaum wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Studien“, ergänzt die Biologin Jana Pastuschek. Beide gehören zu den Wissenschaftlerinnen, die der Plazentophagie – so der Fachbegriff für den Verzehr des Mutterkuchens – im Placenta-Labor der Klinik für Geburtsmedizin auf den Grund gehen, um diesem Defizit zu begegnen.   

Plazenta-Pulver so gut wie wirkungslos

„Beim Verarbeiten gemäß der traditionellen chinesischen Medizin zum Beispiel beträgt der Hormonverlust im Vergleich zum Rohzustand bis zu 99 Prozent“, sagt Jana Pastuschek. „Sie sind also faktisch nicht mehr nachweisbar.“ Damit stellt sich die Frage, was von dem in Erfahrungsberichten geschilderten positiven Effekt durch die Einnahme von Plazentapulver wirklich zu halten ist. „Möglicherweise handelt es sich dabei um einen sehr guten Placeboeffekt“, vermutet Pastuschek.

Aus der Not geboren

Daten aus Tierversuchen unterstützten die Theorie, dass sich die Milchproduktion durch den Plazenta-Verzehr erhöhe, dass sich der Körper schneller von der Schwangerschaft erhole oder der Hormonhaushalt ausgeglichen werde ebenfalls nicht. Viele Säugetiere essen ihre Mutterkuchen – und das ist auch absolut sinnvoll: Die Tiere sind von der Geburt meist erschöpft und müssen ihre Jungen im Auge behalten. Sie können also schlecht losziehen und sich etwas zu essen besorgen. Aber der Mutterkuchen enthält, neben reichlich gutem Eisen und Vitamin B, auch einige Schadstoffe, da er – ähnlich der Leber – als Filter fungiert. Dies würde auch erklären, was Völkerkundler zum Plazentaverzehr wissen. Den gab es nämlich nicht. Ganz im Gegenteil. Die Nachgeburt galt in den meisten Kulturen sogar als unrein und verseucht. Das würde auch folgendes erklären: Viele Züchter berichten, dass die Hündinnen auf den Plazenta-Verzehr mit heftigen Durchfällen reagieren. Durchfall ist immer der Versuch des Körpers, sich möglichst rasch von schädlichen Erregern zu reinigen. Aus diesen Gründen spricht vieles dafür, die Plazenten nicht zu verfüttern!